PERFORMANCE
Jenseits der Grenzen von Genres Beziehungen ausloten, mit Farbe und Leinwand, Geige und Geste, Offenheit und Humor – so entwickeln Anna Göbel und Liska Schwermer-Funke intermediale Performances.
Wie kommen Kunst und Musik zusammen? Da ist auf der einen Seite das zumeist gegenständliche Kunstwerk, das, einmal fertiggestellt, unabhängig von seiner Schöpferin in Raum und Zeit bestehen kann – und auf der anderen Seite das Musikstück, das an die Zeitlichkeit gebunden ist und die Interpretin als Komplizin braucht um zu erklingen, gehört zu werden und wieder zu verhallen.
In diesem Spannungsfeld begannen die beiden Akteurinnen im Frühjahr 2021 ihre erste künstlerische Annäherung.
SPANNUNGEN PTDS
In einem offen angelegten, intensiven Entwicklungsprozess entstand die Performance Spannungen PTDS für Geige, Acrylfarbe und Leinwand, basierend auf der Komposition „Pour triompher du soleil…“ für Violine solo von Violeta Dinescu.
Gleicht hier die weiße Leinwand noch der anfänglichen Stille, so beginnt mit den ersten Tönen und Pinselstrichen eine Resonanz, ein Dialog von Klang und Form.
Nach und nach färbt die Malerei die musikalische Interpretation und die Dynamik der Musik wird auf der Leinwand sichtbar.
Von der Faszination am gegenseitigen Gestalten bis zur Eskalation im Wettstreit um die künstlerische Oberhand entspinnt sich ein dialogischer Prozess mit ungewissem, offenem Ausgang.
Über ihr Stück für Violine solo schreibt die Komponistin Violeta Dinescu:
„Pour triompher du soleil…“ ist ein musikalischer Kommentar eines Augenblicks – des dramatischen Höhepunkts des Romans „L’etranger“ (Der Fremde) von Albert Camus. Ich habe versucht, diese „écriture blanche“ (die weiße Schrift) musikalisch umzusetzen – eine eigenartige Kombination aus intensiver, unkontrollierter Energie und entfernter, gleichgültiger Haltung, die eine Art Traumerinnerung suggeriert.
Dadurch entsteht eine obsessive Klangzersplitterung, die diesen Augenblick umrahmt, eine sich wiederholende Verräumlichung, wie ein ins Wasser geworfener Stein, der immer entferntere Wasserringe auslöst.
ZWISCHENZEIT
Mit ihrem neuen Programm nehmen Anna Göbel und Liska Schwermer-Funke das Thema ZEIT genauer in den Blick. Welche Rolle spielt die Zeit im künstlerischen Prozess? Wie vermag Musik mit der Zeit zu spielen, sie zu verdichten, zu beschleunigen oder gar aus den Angeln zu heben? Und wie kann die verrinnende Zeit sichtbar werden, wie lässt sich ein Moment auf der Leinwand verzeichnen?
Dabei erweitern die Künstlerinnen ihr gemeinsames Vokabular und experimentieren mit verschiedensten Klängen und Materialien: Solovioline und Magnetformen, Toy Piano und Scoubidou Bänder, Tango und Tusche, zeitgenössische Musik und Live painting. Eingerahmt, ergänzt und befragt werden diese Aktionen durch Texteinspielungen von Autor*innen wie Joyce Mansour, Rüdiger Safranski und Teresa Bücker. Sechzig Minuten zwischen Eile und Weile eröffnen dem Publikum neue Erfahrungsräume zwischen Klang und Form - eine Einladung zum offenen und produktiven Dialog, zu Neugier und Gestaltungsfreude.
"Bestechend frisch."
"So originell die Ideen, so dynamisch die Protagonistinnen. Intensive Musik (...) traf auf reaktionsfreudige Kunst." "Nach der fulminanten klang- und materialreichen Aufführung gab es tosenden Applaus."
Georg Pepl
Hessisch / Niedersächsische Allgemeine
23. April 2024